Ich erkläre dir in diesem Text, warum ich voller lebendigem Enthusiasmus bin, mit dir zusammen ins kalte Wasser zu hüpfen und deine Verstrickungen mit deinem falschen Selbst zu ent-wickeln. So, wie das Leben es mir gezeigt hat.
Dies zu schreiben braucht Mut. Mut ist etwas, an dem es mir nie gefehlt hat.
Das Leben hat mich durch Pferde vor die Frage gestellt, ob ich es feiern möchte oder nur dem Tod ausweichen.
Dass ich diesen Satz hier formulieren kann, hat Jahre gedauert.
Ich könnte den Titel auch anders setzen: die Wahl zwischen Leben und Tod, oder zwischen Liebe und Angst.
Angst, dachte ich, hatte ich nie. Alleine im Wald schlafen, durch fremde Länder reiten, Gauchos unterrichten - alles kein Problem.
Bist zu dem Tag, als DIE Angst sichtbar wurde. Zu unterst wie ein fibrierender Teppich unter einem ausgeklügelt konditionierten Verstand, der mir einredete, ich sei stark und könnte alles meistern. Doch plötzlich war nur noch Angst da. Angst vor dem Leben.
Das ist das Gleiche wie Angst vor dem Tod. Wirst du sie nicht los, kannst du auch nicht leben, sondern "surfst" einfach mehr oder weniger gekonnt um deine Ängste herum, mit Ausreden, mit Therapien und anderen Varianten. Oder besser gesagt, du surfst um den Tod, und denkst, ihm so nicht begegnen zu müssen.
Das Surfen, Winden und Schlängeln kostete mich sehr viel Kraft
und bestimmte plötzlich mein Leben, das ich dachte, selbst zu bestimmen. Durch welches Selbst?, war die Frage.
Der Tod, den ich nicht sehen wollte, zeigte sich mir in Form von Geschöpfen, die bei mir starben. Es kam der Tag, wo mein Herz vor Schmerz zerbarst. Und ich vor geschlossenen Türen stand. Die Türen zu mir selbst.
Die Wut über die Türen war die Wut über mich selbst. Endlich sah ich es. Endlich konnte der Weg beginnen, das Surfen aufzugeben, die Angst, die Wut, das Opfer und was sich da sonst noch alles äussern wollte, zu mir zu nehmen. Die Verstrickungen zu erkennen, die ich mit den Lebewesen eingegangen war, die mir den Tod aufgezeigt hatten. Damit ICH leben konnte.
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Ein solches bedingungslos liebendes Lebewesen war mein selbst gezüchtetes Fohlen Namira. Ihr Weggehen sei ein Geschenk, hatte sie gemeint. Es hatte mich fast den Verstand gekostet.
So sollte es ein.
Als Namira auf die Welt kam, hatte ich einen anderen Namen für sie ausgedacht. Sie schaute mich nach der Geburt noch fruchtwassernass an, wieherte mir entgegen und liess verkünden, dass sie Namira hiess. Alle Pferde rundum, welche den heiligen Ort umgaben, wo sie geboren wurde, wieherten zurück. Es war ein Moment, den ich nie vergessen werde, der mir durch Mark und Bein ging. Heute noch. Darauf googelte ich, was Namira für eine Bedeutung hatte.
DIE EGOLOSE FRAU.
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Was für eine Aufgabe! Was für eine Chance. Heute, mehr als ein Jahr später, begreife ich ansatzmässig, was das alles meinte. Heute, wo ich nach und nach Schichten meines Egos entdecke und befreie, zusammen mit den Pferden, und immer leicher und freier werde, verstehe ich, was Namira meinte. Verstehe ich, was Namira war! Eine leichte Feder voll unbändiger Lebenskraft. die erst hervor kommt, wenn die Verstrickungen wegfallen.
Namiras Kraft ist daran, auf mich rüber zu schwappen. Wie ein Wasserfall. Ich empfange sie mit Demut. Demut vor dem Tod und Demut vor dem Leben. Bereit, mich in den Dienst des Lebens zu stellen, andere Menschen in ihren Verstrickungen zu begleiten, damit sie nicht mehr länger surfend und schlängelnd ihrer Selbsttäuschung verfallen müssen, sondern sich auch aufmachen können, das Herz zu öffnen, damit aller Schmerz und was sich sonst noch darin eingeschlossen hat, abfliessen kann. Damit auch alle Geschöpfe, die sich über das Leben mit dir verstrickt haben, um Unbewusstes aufzuzeigen, mit dir zusammen frei werden. Angst ist ein grossartiger Partner. Wut auch. So kann ich mehr Mut in mir finden, als die Angst gross ist und mehr Liebe, wie die Wut zu halten vermag.
Um die Themen rumzusurfen bringt keine Freiheit. Ein offenes Herz schon.
Das Einzige, das sterben darf, ist das falsche Selbst. An Ende siegen Mut und Liebe. Und die Freude über das Leben und das Lebendige.
Das Herz.
Springst du mit mir ins kalte Wasser?
Wenn du jetzt auch weinen musst, so weine ich mit dir, aus Freude, aus Berührung vom und vor dem Leben.